Chemie ist ein Fach, dass bei Schülern durchaus Interesse wecken kann, denn der vielfältige Bezug zum Alltag und auch Experimente machen es attraktiv.
Schwierigkeiten bereiten dagegen aber die Phänomene, von denen man nur die makroskopischen physikalische Effekte erkennen kann, wie Teilchenbewegungen und chemische Prozesse. Und hier kann Simulationssoftware helfen.
Welche Vorteil eine Simulationssoftware bieten kann, möchte ich anhand eines konkreten Beispiels erläutern: Hier geht um die Eigenschaften der Teilchen bei einem Stoff in verschiedenen Aggregatzuständen. Bisher sind in Büchern statische Bilder zu sehen, wie die folgenden. Sie stellen die Anordnung der Teilchen in verschiedenen Aggregatzuständen dar.
Begleitend dazu gibt es einen Text, der beschreibt, was mit den Teilchen geschieht, wenn man bei einem Feststoff, z.B. Eis, die Temperatur erhöht:
Die Teilchen, die zunächst regelmäßig angeordnet sind und nur um ihre Position schwingen, bewegen sich erhöhter Temperatur zunehmen schneller und irgendwann verlieren sie ihre Ordnung – der Stoff schmilzt. Mit weiterer Erhöhung der Temperatur verlieren die Teilchen ihrem Zusammenhalt und bewegen sich frei im Raum, dann hat man einen Stoff im gasförmigen Aggregatzustand.
Sich dies alles, trotz der ausführlichen Erklärung dazu, bildlich vorstellen zu können ist nicht einfach. Es kommt leicht zu Fehlvorstellunge. Ein wichtiger Aspekt ist zum Beispiel, dass die Anziehung der Teilchen untereinander in einem Stoff immer konstant ist. Aufgrund der immer schneller werdenden Bewegung aber kann die Anziehung nicht wirken.
Viele Schüler sehen aber nur das statische Bild mit den unbewegten Teilchen und argumentieren, dass die Teilchen sich im Feststoff stärker anziehen und deshalb näher beieinander sind. So fehlt das grundlegende Verständnis der Eigenschaft, die die Schmelz- und Siedetemperatur der Stoffe bestimmt, nämlich die Stärke der Anziehung bei den Teilchen untereinander. Und dies wird bis zum Abitur benötigt.
Zu Zeiten, wo man mit einem Beamer mal nicht schnell auf das Internet oder einen Schulfilm zugreifen konnte, kann man diese Dynamik zum Beispiel mit einem Art Rollenspiel erleben lassen.
Die Schüler stellen die Teilchen dar und sollen stets versuchen nahe beieinander zu stehen. Auf dem Platz stehend dürfen sie nur mit dem Oberkörper hin und her schwingen. Gibt man die Anweisung diese Bewegung schneller auszuführen kommt es dazu, dass die Schüler (also die Teilchen) nicht mehr auf ihrem Platz bleiben können. Wenn sie einigermaßen diszipliniert sind, schaffen sie es trotzdem beieinander zu bleiben, aber man merkt bereits, dass es die Teilchenmenge einen größeren Platzbedarf hat. Mit zunehmender Geschwindigkeit ist es nicht mehr möglich, dass sie zusammenstehen und so verteilen sie sich.
Prinzipiell ist die Idee ganz gut und bietet meiner Erfahrung nach durchaus die Möglichkeit das die Schüler ein Verständnis aufbauen. Allerdings muss die Gruppe dazu einigermaßen diszipliniert sein und darf keine Berührungsängste haben. Sonst führt die Aktion zu einem wilden Geschubse oder klappt nicht, weil man nicht „berühren“ will.
Dynamik reinbringen
Etwas moderner wäre eine Variante, wo man statt der statischen Bilder kleine Animationen hat, die zumindest die Teilchenbewegungen zeigen.
Selbst modernste Chemie-Bücher (mir vorliegend: „Chemie heute – Sek I“, Auflage 2015) nutzen aber immer noch nicht die Möglichkeit auf Quellen im Internet zu verweisen, wie etwa mit einem QR-Code. Ich habe mit Hilfe des Programms SimChemistry Screencasts aufgenommen, um den Schülern mit Videos bewegte Animationen zu zeigen. Die Videos sind eine Vereinfachung, da das Laden der Simulationen in der Software im laufenden Unterricht vor dem Klassenplenum zu viel Zeit kosten würden.
Immerhin sind diese Videos auch auf Tablets lauffähig, was bei der Software SimChemistry nicht der Fall ist.
Selbst ist der Schüler
Ein weiterer Schritt wäre es, den Schülern Eingriffsmöglichkeiten, also Interaktionen, zu bieten. Zum Beispiel könnten sie die Temperatur in einer Simulation selber anzupassen, um zu sehen, wie sich die Bewegung der Teilchen verändert und damit der Aggregatzustand.
Wenn der PC-Raum belegt ist und die Schüler nicht selber den Schieberegler bedienen können, verwende ich notfalls ein Video, in dem wieder die Simulation aufzeichnet wurde, wo ich die Temperatur verändert habe.
Aus dieser Möglichkeit ergeben sich, neben der dynamischen Darstellung auch die Möglichkeit andere Aufgabenstellungen zu formulieren. So habe ich bereits gute Erfahrung mit der folgenden Unterrichtssituation gemacht:
Die Schüler sind am PC in kleinen Gruppen zu zwei oder drei Schülern und haben eine Simulation zur Verfügung, bei der in einem abgeschlossenen Bereich ein größere Menge an Teilchen eingeschlossen ist. Mit einem Schieberegler können sie die Temperatur verändern und sehen daraufhin gleich, wie sich die Geschwindigkeit der Teilchen erhöht und dadurch die Anordnung verändert. Statt auf den Text im Buch einzugehen und die Schüler dies entsprechend der Informationen einfach nur beobachten zu lassen, gebe ich eine einfache Aufgabe: „Bei welcher Temperatur schmilzt der Stoff bzw. wird er gasförmig?“ Hier haben die Schüler etwas zu tun und probieren mit dem Temperaturschieberegler herum. Nach kurzer Zeit frage ich die gefundenen Temperaturen ab. Die Werte sind einigermaßen nah beieinander aber sie unterscheiden sich etwas. Dies nehme ich als Anlass, die Schüler die Entscheidung erklären zu lassen. Genauer, zu erklären, woran sie erkennen, dass der Stoff gerade bei dieser Temperatur schmilzt bzw. verdampft. Erstaunlicherweise nutzen die Schüler genau die Begründungen, die man sonst umständlich erarbeiten muss, von sich aus. So werden automatisch die makroskopischen Eigenschaften der Stoffe als Begründung für die Anordnung und das Verhalten der Teilchen herangezogen. Wie etwa das ein fester Stoff ja an seiner Stelle bleibt und das kann nur der Fall sein, wenn die Teilchen selber auf ihrer Position bleiben. Mit den bisherigen Erarbeitungsmethoden habe ich das nie erlebt.
Details genauer betrachtet
Um das schon vorher beschriebene Problem bezüglich des Zusammenhalts der Teilchen den Schülern noch deutlicher zu machen, habe ich einige weitere Simulationen erstellt, die die wichtigen Punkte für das Verständnis einzeln aufzeigen.
So kann man ein einzelnes Teilchen betrachten und zeigen, wie sich seine Geschwindigkeit an die veränderte Temperatur anpasst. Dabei muss allerdings erwähnt werden, dass das Teilchen erst langsamer oder schneller wird, wenn es die Wand berührt, die die Temperatur bestimmt, indem es Energie aufnimmt/abgibt.
Wie sich die verschieden starke Anziehung auswirkt, kann man in einer Simulation darstellen, bei der jeweils zwei gleiche Teilchen in einem Kästchen gegeben sind. Aufgabe der Schüler ist es, zu erkennen, welche Teilchen sich stärker anziehen. Die Unterschiede wurden bewusst so gewählt, dass sie nicht extrem deutlich sind.
Wie sich solche unterschiedlichen Anziehungen dann auf den Stoff und damit die Schmelz- und Siedetemperatur auswirken, kann man dann in einer Simulation zeigen, wo von den drei verschiedenen Teilchen eine größere Menge vorhanden ist. Zu Beginn der Simulation sind die drei Stoffe in den drei verschiedenen Aggregatzuständen. Der eine Stoff hat eine so hohe Siedetemperatur, dass man ihn nur zum Schmelzen bekommt.
Fazit
Simulationssoftware bietet meiner Meinung nach die Möglichkeit, den Schülern eine bessere Vorstellung über die Vorgänge auf Teilchenebene zu bieten. Allerdings ist es nicht nur das digitale Medium an sich und die Animationen, die sich postitiv auswirken können. Mit der Software kann man ganz anders an das Thema herangehen und die Schüler von sich aus die wesentliche Punkte erarbeiten lassen.
Das kann man kombinieren mit interaktiven Quizzen, um die Schülern bei der Formulierung der Sachverhalte zu unterstützen und jeden einzeln herauszufordern anstatt Regeln gemeinsam an der Tafel zu sammeln, wobei sich einzelne Schüler zurücklehnen können.
Über Kommentare und weitere Ideen für Simulation würde ich mich freuen.
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